Dow-Theorie: Chartanalyse und ihre Anfänge

Die neueste Computertechnologie machts möglich: Charts und Aktienkurse sind heute nahezu überall Echtzeit verfügbar. Kein Wunder, dass chartgestützte Analysemethoden beim Handel an der Börse immer mehr Gewicht bekommen. Den Grundstein für die Chartanalyse legte Charles Dow mit seiner Theorie über die Bewegungen der Finanzmärkte. Heute sind seine Überlegungen als Dow-Theorie bekannt. Hier erfährst du, was genau die Dow-Theorie ausmacht und wie du damit Charts analysieren kannst.

Der Begründer der Chartanalyse: Charles Dow

Charles Dow war ein US-amerikanischer Finanzjournalist, der Ende des 19. Jahrhunderts nicht nur die erste Börsenzeitung der Welt, das heutige Wall Street Journal herausgab, sondern auch den ersten Aktienindex entwickelte. Mit dem Dow Jones Railroad Average, der heute als Dow Jones Transportation Average bekannt ist, wollte Dow einen Richtwert für die Beurteilung von Aktienkursschwankungen erhalten. Auf diese Weise versuchte er, die Bewegungen der Märkte besser nachzuvollziehen. Damit wurde Charles Dow zum Begründer der Chartanalyse. Er starb am 4. Dezember 1902 in New York.

Trendbestimmung in der Dow-Theorie

Grafik zeigt Trendbestimmung in der Dow-Theorie In seiner Dow-Theorie beschrieb Charles Dow drei Trends. Der Primärtrend hatte für Dow die größte Bedeutung, denn er zeigt an, in welche Richtung (nach oben oder nach unten) der Kurs insgesamt geht. Innerhalb des Primärtrends kann es Kursbewegungen geben, die dem übergeordneten Trend entgegenlaufen, ihn aber nicht beenden. Dow beschrieb diese Bewegungen als Sekundärtrends. Tertiärtrends sind kleinste Kursschwankungen und nach Dow vernachlässigbar.

Der Dow-Jones-Index

Der heute kurz als Dow-Jones-Index bekannte Dow Jones Industrial Average war der zweite Index, den Dow entwickelte. Er setzte sich ursprünglich aus den Aktienkursen der 12 wirtschaftlich bedeutendsten US-Unternehmen an der New Yorker Börse zusammen. Dow addierte die Kurse und dividierte die Summe durch 12. Der Dow-Jones-Kurs dotierte bei seiner Erstnotiz am 26. Mai 1896 bei 40,94 Punkten. Heute besteht der Dow Jones aus den Aktienkursen der 30 größten US-Unternehmen und ist weltweit eines der am meisten beachteten Börsenbarometer.

Die Ursprünge der Dow-Theorie

Seine Theorie über die Beurteilung der Kursbewegungen von Aktien und Indizes entstand ebenfalls um die Jahrhundertwende. Dow veröffentlichte zu dieser Zeit mehrere Artikel, in denen er das Ziel verfolgte, die täglichen Aktienkursänderungen einem langfristigen Trend zuzuordnen. Zusammen bilden Dows Artikel die Dow-Theorie, die heute als Grundlage der Chartanalyse gilt.

Veröffentlichung der Dow-Theorie

Charles Dow selbst hat seine Ideen und Analysen nie in einem Buch zusammengefasst. Allerdings wurden seine Artikel zum Thema schon ein Jahr nach seinem Tod von S.A. Nelson in seinem Buch The ABC of Stock Speculation als zusammenhängende Theorie begriffen. Mittlerweile ist sie in zahlreichen weiteren Studien zum Thema „Technische Analyse“ besprochen.

Die 6 Kernaussagen der Dow-Theorie

Der Grundgedanke der Dow-Theorie entstand aus Dows Beobachtung und Analyse seiner Aktienindizes. Er lautet: Alle Aktienkurse bewegen sich in zyklischen Trends. Entsprechend handeln Chartanalystinnen und -analysten en noch heute gemäß dem Motto „The trend is your friend.“ Dows Theorie besteht aus 6 Kernaussagen.

1. Die Indizes diskontieren alles…

…oder einfacher gesagt: Die Indizes enthalten alle Informationen. Im Grunde genommen bedeutet das, dass alle relevanten Informationen des Marktes in den Aktienkursen enthalten sind. Alle relevanten Informationen, das sind die Einschätzungen aller Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer im Bezug auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Selbst unvorhersehbare Ereignisse wie Terroranschläge oder Naturkatastrophen bildet der Chart schnell ab. Die Fundamentalanalyse, eine Analyse der betriebswirtschaftlichen Daten und des ökonomischen Umfelds eines Unternehmens also, erübrigt sich damit.

Du hast noch kein Depot?

Du möchtest aber von den Renditechancen an der Börse profitieren und deine Kenntnisse in der Chartanalyse gleich mal ausprobieren? Dann schau dich doch mal in unserem Depot-Vergleich um!

2. Der Markt hat drei Trends.

Charles Dow definierte drei Trends: Primärtrends für die langfristigen Kursentwicklungen (ab einem Jahr), Sekundärtrends für die mittelfristigen (drei Wochen bis drei Monate) und Tertiärtrends für die kurzfristigen (höchstens drei Wochen). Sekundärtrends dienen laut Dow dazu, den Primärtrend zu korrigieren. Sie zeigen also beispielsweise innerhalb eines übergeordneten Aufwärtstrends detailliertere Kursbewegungen an, also auch Gegenbewegungen wie kurzzeitige Abwärtstrends. Der Tertiärtrend ist den beiden anderen untergeordnet. Er steht für kleinere Preisschwankungen wie Intraday-Schwankungen, die auch als Rauschen bezeichnet werden. In der Dow-Theorie haben diese Schwankungen für die beiden anderen Trends keine Bedeutung.

Innerhalb der drei Trends ist zwischen Aufwärts- und Abwärtstrends zu unterscheiden. Bei einem Aufwärtstrend liegt jeder Hochpunkt ebenso wie jeder neue Tiefpunkt höher als der vorherige, bei einem Abwärtstrend ist das genaue Gegenteil der Fall. Verbindet man die Kurshoch- bzw. Tiefpunkte, auch Highs und Lows in einem Kursverlauf, erhält man jeweils eine Trendlinie.

Was Dows Trends mit dem Meer zu tun haben

Dow verglich seine Trends mit der Bewegung des Wassers im Meer. Der primäre Trend entspricht dabei Ebbe und Flut, zeigt also, in welche Richtung (nach oben oder unten) es grundsätzlich geht. Die Wellen werden vom sekundären Trend repräsentiert und der tertiäre Trend ist vergleichbar mit kleinsten Veränderungen auf den Wellen.

3. Primärtrends haben drei Phasen

Innerhalb der drei Trends ist der Primärtrend für Dow die aussagekräftigste und damit die wichtigste Kursbewegung. Dow unterscheidet drei Phasen des Primärtrends, die jeweils vom Anlageverhalten der Bevölkerung beeinflusst sind.

Die drei Phasen des Primärtrends

1. Akkumulationsphase
Die erste Phase beginnt, wenn sich der Markt gerade dreht, wenn also zum Beispiel ein langfristiger Abwärtstrend in einen Aufwärtstrend umschlägt. Solch eine Phase entsteht typischerweise zum Ende eines wirtschaftlichen Abschwungs. Gut informierte Anlegerinnen und Anleger nutzen bereits diese frühe Phase, um günstig Aktien zu kaufen.

2. Phase der öffentlichen Beteiligung:
In der zweiten Phase wird die Nachrichtenlage besser. Entsprechend erfährt jetzt auch die breitere Öffentlichkeit von der Trendwende und steigt in den Aktienhandel ein.

3. Distributionsphase:
Die positive Stimmung aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs schlägt in Euphorie um. Immer mehr private Kleinanlegerinnen und Kleinanleger investieren in dieser Phase in Aktien. Für Börseninsider, die schon frühzeitig investiert haben, ist dies allerdings bereits ein Anzeichen für eine Trendwende. Sie stoßen ihre Aktien ab, was wegen der vielen Kleinanlegerinnen und Kleinanleger auch leicht gelingt.

4. Die Indizes müssen einander bestätigen.

Dow entwickelte nicht ohne Grund zwei Aktienindizes: Um sicher zu gehen, dass der Markt sich tatsächlich dreht, müssen laut seiner Theorie beide Indizes, also im damaligen Fall sowohl der Dow Jones Railroad Average als auch der Dow Jones Industrial Average dasselbe Signal geben. Dies muss nicht gleichzeitig geschehen, aber doch zeitlich nahe. Erst, wenn das der Fall ist, kann ein allgemeiner Bullen- bzw. Bärenmarkt, also ein langfristiger Abwärts- bzw. Aufwärtstrend, identifiziert werden.

5. Das Volumen muss den Trend bestätigen.

Das Volumen galt für Dow als sekundärer Indikator für einen langfristigen Trend. Man kann demnach erst dann von einem definitiven Trend ausgehen, wenn der Handelsumsatz in Richtung des primären Trends ansteigt. Ist der Trend also aufwärts gerichtet, sollten die Umsätze steigen, bei einem abwärts gerichteten Trend sollten sie entsprechend ebenfalls fallen.

6. Ein Trend gilt bis zu seiner definitiven Umkehr.

Die sechste und letzte Kernaussage der Dow-Theorie ist an das physikalische Trägheitsgesetz angelehnt. Man könnte es vielleicht mit „Beharrungsgesetz von Indizes“ umschreiben. Ein bestehender Trend setzt sich demzufolge so lange fort, bis es definitive Signale gibt, dass er sich umgekehrt hat. Im Umkehrschluss bedeutet das: Ein bestehender Trend endet erst, wenn eine neue Akkumulationspahse eintritt.

Dows eigentliches Ziel

Kritikerinnen und Kritiker der Dow-Theorie verweisen oft darauf, dass Dow durch seinen Fokus auf Primärtrends relevante Kursbewegungen verpasste. Diese Kritik führt zu der eigentlichen Intention, die Dow mit seiner Theorie verfolgte. Ihm ging es nämlich nicht darum, wie oft fälschlicherweise angenommen, künftige Kursverläufe vorherzusagen Vielmehr suchte er nach Wegen, um vorab Prognosen über die wirtschaftliche Entwicklung anstellen zu können. Dow „verpasste“ also nichts, sondern verfolgte schlicht einen anderen Ansatz.

Ohne Dow-Theorie keine Chartanalyse

Trotz aller Kritik bilden vor allem Dows Überlegungen zu den Trendzyklen die Basis für die moderne Chartanalyse. Sie hat es sich zum Ziel gemacht, mithilfe der Analyse von Aktiencharts den günstigsten Kauf- bzw. Verkaufszeitpunkt für ein Wertpapier zu ermitteln. So wurden Dows Trendlinien wurden beispielsweise zu Chartmustern weiterentwickelt . Auch die so genannten technischen Indikatoren wie gleitende Durchschnitte, mit denen künftige Kursverläufe berechnet werden können, basieren auf der Dow-Theorie.

Charles Dow gilt nicht nur unter Chartanalysten als Legende: Durch die Entwicklung seiner Aktienindizes revolutionierte er den Börsenhandel. Gleichzeitig trug er durch seine Fachartikel zu einem besseren Verständnis des menschlichen Anlageverhaltens und der Bewegungen der Märkte bei.

Saskia ist promovierte Germanistin und arbeitet seit 2017 im Finanzbereich. Ihre inhaltlichen Schwerpunkte liegen vor allem im Bereich Wertpapierdepot, Bausparen, sowie bei Unfall- und Sterbegeldversicherung.
>