Greensill Bank: Mit Anlauf in die Pleite

Entsetzte Sparer:innen, geprellte Kommunen und ein BaFin-Moratorium auf der einen Seite, windige Geschäfte und zweifelhafte Bilanzen auf der anderen Seite: Der Fall der Bremer Greensill Bank sorgt für Aufregung – und erinnert viele an die Pleite von Lehman Brothers.  

Das Wichtigste vorweg: Auch wenn es vermutlich eine ganze Weile dauern wird – deutsche Sparer:innen, die Einlagen bei der Greensill Bank haben, werden ihr Geld irgendwann wiedersehen. Wenn es schlecht läuft, jedoch erst im Laufe eines möglichen Insolvenzverfahrens. Über die deutsche Einlagensicherung und den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) werden die Sparer:innen früher oder später ausgezahlt.

Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass eine in Deutschland kaum bekannte Bank, die hierzulande hauptsächlich mit Unternehmenskrediten und Spareinlagen ihr Geld verdient, plötzlich im Zentrum eines ausgemachten Finanzskandals steht?

Aus Down Under in die ganze Welt

Gerade mal zehn Jahre hat der Australier Alexander Greensill gebraucht, um aus einer cleveren Geschäftsidee das globale Finanzunternehmen Greensill Capital zu machen, das 2019 allein mit der deutschen Tochter Greensill Bank eine Bilanzsumme von 3,8 Mrd. Euro erzielt hat. Zum Vergleich: 2018 waren es lediglich 666. Mio Euro. Innerhalb eines Jahres hat sich die Bilanzsumme versechsfacht. Schon damals hätten die Alarmglocken in den Fluren der Finanzaufsicht schrillen müssen. Das scheint aber nicht geschehen zu sein. Auch nicht, als der Bankenverband Anfang 2020 gegenüber der BaFin Bedenken zur Greensill Bank äußerte. Erst im August 2020 nahm die BaFin die Bremer Bank unter die Lupe – allerdings ohne Sparer:innen über die bestehenden Bedenken zu informieren.

Nun hat die BaFin am Mittwochabend ein Moratorium gegen die Greensill Bank verhängt. Vorausgegangen war dem Moratorium eine Maßnahme der Schweizer Credit Suisse. Die hatte Greensill-Capital-Fonds bereits am Montag eingefroren. Der Verdacht: Die Fonds könnten viel weniger Wert sein als behauptet. Das Moratorium der BaFin sorgt nun dafür, dass Einlagen seitdem weder ein-, noch ausgezahlt werden können: eine kräftezehrende Geduldsprobe für Betroffene.

Vielen Anleger:innen hierzulande dürfte das eigentliche Geschäft von Greensill indes unbekannt sein. Dabei wirkt es auf den ersten Blick auch nicht besonders spektakulär. Neben einfachen Spareinlagen für Privatleute betreibt Greensill auch Lieferkettenfinanzierung. Damit Lieferanten nicht so lange auf das Geld des Abnehmers warten müssen, können sie die Dienste Greensills in Anspruch nehmen. Greensill streckt den um einen kleinen Abschlag verminderten Betrag vor. Später erhält Greensill sein Geld vom Abnehmer zurück. Der Abschlag ist Greensills Gewinn. Das Ganze nennt sich „Factoring“.

Von der Forderung zum Fonds

Das eigentliche Problem von Greensill ist nun, dass die laufenden Forderungen aus dem Factoring-Geschäft in Fonds gebündelt und verkauft wurden. Hier kam die Credit Suisse ins Spiel: Die Schweizer Bank bot die Fonds mit den Lieferketten-Forderungen professionellen Investoren an. Das tat sie solange, bis sie Zweifel daran hegte, dass die vier in Luxemburg und Liechtenstein aufgelegten Fonds im Wert von 10 Milliarden US-Dollar auch tatsächlich so viel Wert sind. Die Credit Suisse kam zu dem Schluss, dass dem wohl nicht so sei. Dann fror sie die Fonds ein.

Seitdem verlassen Geschäftspartner und Investoren das sinkende Schiff: Vermögensverwalter GAM beendete die Geschäftsbeziehung zu Greensill. Die japanische Investmentgesellschaft Softbank, die bereits im Fall Wirecard alt aussah, hat Greensill-Anteile im Wert von 1,5 Milliarden Dollar abgeschrieben. Möglicherweise schreibt sie sogar sämtliche Anteile ab.

Kredite, die verbrieft und in überbewertete Fonds gepackt werden? Viele Menschen dürfte das an die Anfänge der Immobilienkrise erinnern. Damals wurden vom Ausfall bedrohte Subprime-Kredite zu sogenannten Collateralized Debt Obligations (kurz: CDO) strukturiert und weiterverkauft. Als absehbar wurde, dass die darin enthaltenen Kredite nicht getilgt werden konnten, verloren die CDOs jeglichen Wert: Die globale Finanzkrise war die Folge.

Die langfristigen Folgen des Greensill-Falls

Derzeit ist die Situation zwar noch sehr unübersichtlich. So extreme Folgen wie die Finanzkrise ab 2007 wird der Fall Greensill jedoch wohl nicht haben. Zu begrenzt ist das Feld der betroffenen Investoren und privaten Anleger:innen.

Dennoch, eine Folge könnte das Ganze haben: Erweisen sich Greensill Capital und der deutsche Ableger Greensill Bank als die Luftnummern, als die sie gerade dastehen, dürfte die Rettung der Kundengelder nur durch eine Hilfe aus dem Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken möglich sein. Der Sicherungsfonds muss anschließend aber wieder aufgefüllt werden. Und sollte in einem Insolvenzverfahren von Greensill kein Geld für die Banken herausspringen, müssen die den Sicherungsfonds selbst wieder auffüllen. Sehr wahrscheinlich werden sich dann auch Kund:innen durch höhere Gebühren an den Kosten beteiligen müssen.

Für 50 deutsche Kommunen hat der Fall bereits jetzt ernste Konsequenzen: Denn seit 2017 sind Gebietskörperschaften wie zum Beispiel Städte von Entschädigungsleistungen aus dem Einlagensicherungsfonds der Banken ausgenommen. Die betroffenen Kommunen werden die Einlagen also wahrscheinlich komplett abschreiben müssen. Allein die Stadt Monheim am Rhein verliert dadurch 38 Mio. Euro. Insgesamt verlieren die Kommunen einen dreistelligen Millionenbetrag.  

Saskia ist promovierte Germanistin und arbeitet seit 2017 im Finanzbereich. Ihre inhaltlichen Schwerpunkte liegen vor allem im Bereich Wertpapierdepot, Bausparen, sowie bei Unfall- und Sterbegeldversicherung.
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