Betrügt dich dein Broker? Scam-Expertin Melodía García von brokeronline.es klärt im Interview auf

Betrügerische Online-Broker sind leider kein Randphänomen. Sogenannte Scammer sind oft weltweit tätig und betrügen Anleger:innen um ihr Erspartes. Die Maschen sind dabei meist gleich. In Spanien und Lateinamerika hilft Melodía García von brokeronline.es Betrugsopfern und gibt Tipps, wie man Betrüger erkennt und gegen sie vorgeht. Von ihren Recherchen können auch deutsche Anleger:innen profitieren.

Betrüger haben es im Internet leicht: Sie erreichen ohne viel Aufwand – beispielsweise durch Facebook-Anzeigen – eine hohe Zahl an Menschen. Besonders die Corona-Krise und der damit verbundene Börsenboom hat Kriminelle im Finanzbereich wie Pilze aus dem Boden schießen lassen. Das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland berichtet von einem Anstieg der Meldungen über Betrugsfälle im vergangenen Jahr. Vor allem unlizenzierte vermeintliche Trading-Plattformen aus dem EU-Ausland versuchen, auch deutschen Anleger:innen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Ob dein Broker möglicherweise auch dazu gehört, kannst du anhand dieser Warnzeichen herausfinden. 

Auch in Spanien und in Lateinamerika kommen immer neue betrügerische Trading-Plattformen hinzu. Viele Broker haben ihre Seiten ins Deutsche übersetzt und können so auch hierzulande Kundschaft anlocken. Unsere Kollegin Melodía García kann ein Lied davon singen. Sie betreibt mit brokeronline.es eine spanischsprachige Finanz-Website ähnlich der deutschen testsieger-konto.de. Schon länger sammelt ihr Team Informationen zu den Kriminellen und ihren Machenschaften und zeigt, wie man dagegen vorgehen kann. Wir haben sie zum Online-Interview getroffen. 

Melodía, ihr betreibt auf brokeronline.es seit 2019 die „lista negra de los brókers“, also eine schwarze Liste von Brokern, die ihre Kund:innen betrügen. Wie kamt ihr auf die Idee, euch dem Thema anzunehmen? 
Melodía: Es hat alles mit den Kommentaren angefangen, die auf unserer Seite eingingen. Unsere User:innen haben immer wieder Fragen dazu gestellt und wir haben schnell festgestellt, dass unheimlich viele Scammer online unterwegs sind, die ohne Lizenz ihre “Trading Services” anbieten.

Wie findet ihr die spanischen Scammer im Internet?
Melodía: Meistens durch die Kommentare der User:innen, aber inzwischen auch dank unserer Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Anwaltskanzleien, die uns ständig über neue Scammer informieren.

Eure „Schwarze Liste“ ist ziemlich lang und hat schon mehrere tausend Kommentare von Leser:innen. Sind das immer die selben Broker oder gibt es wirklich so viele Betrüger?
Melodía: Im Internet gibt es so viele Betrüger wie Fische im Meer. Was wir hier tun, ist nur die Spitze des Eisbergs. Das Problem ist sehr groß – allein im Jahr 2019 sind schätzungsweise sechs Prozent der europäischen Bevölkerung Opfer von Online-Kriminalität geworden.
Nach Angaben der europäischen Polizei wird geschätzt, dass der Schaden, der den europäischen Verbraucher:innen durch Betrug entsteht, 200 Millionen Euro pro Monat übersteigt. Die spanische Börsenaufsichtsbehörde CNMV veröffentlichte allein im Jahr 2019 eine Liste mit mehr als 698 international tätigen Scammern.
Die Realität ist, dass hinter jedem Betrug kriminelle Organisationen stehen, die große Geldwäscheringe nutzen, um einer Strafe zu entgehen. Diesen Netzwerken ist es aufgrund der Untätigkeit der Behörden gelungen, globale Strukturen aufzubauen, die die Handlungsunfähigkeit der Justiz und die fehlenden Mittel zur Bekämpfung der internationalen Kriminalität ausnutzen.

Habt ihr jemals Beschwerden von den Brokern bekommen, die ihr auf eurer Seite listet?
Melodía: Ständig. Sie drohen uns oft mit Strafverfolgung. Selbstverständlich ignorieren wir solche E-Mails. Danach passiert auch nichts. Das kann man auch als indirektes Schuldeingeständnis sehen.

An welchen Top 3 Anzeichen erkennt man, dass der eigene Broker ein Betrüger ist?
Melodía: Darüber haben wir eine ausführliche Anleitung hier geschrieben: Averigua si tu bróker es una Estafa | Guía para descubrir a un scámmer*.
Die Top 3 sind meiner Meinung nach:

  • Der Broker ist nicht reguliert und oft auf einer Offshore-Insel (St. Vincent und die Grenadinen, Belize, Vanuatu, Virgin Islands, etc.) registriert – wenn überhaupt
  • Der Broker hat die Kund:innen direkt per Telefon oder Mail kontaktiert, obwohl diese nie den Kontakt gesucht haben, geschweige denn ihre Daten mit dem Broker geteilt haben
  • Internationale Warnungen vor dem Broker wurden von Aufsichtsbehörden ausgesprochen, beispielsweise durch FCA, CNMV, BFin, FSMA, CONSOB** etc.

**Anm.: Financial Conduct Authority, Comisión Nacional del Mercado de Valores, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Financial Services and Markets Authority, Commissione Nazionale per le Società e la Borsa

Welche Möglichkeiten gibt es, rechtlich gegen die Scammer vorzugehen, wenn man schon Geld investiert hat?
Melodía: Darüber haben wir hier eine ausführliche Anleitung geschrieben: He sido víctima de un bróker scam o fraudulento* (Anm.: Auch wir haben einen Ratgeber, wie man bei Betrug vorgeht). Ist der Broker reguliert, dann kann man etwas machen. Am besten ist es, wenn Betroffene sich in Gruppen zusammenschließen, um gemeinsam gegen den Broker vorzugehen.
Ist der Broker nicht reguliert, gibt es leider nicht viel, was man machen kann. Denn oft wissen wir nicht einmal, wo sie sich genau befinden.
Und wenn es ein Steuerparadies ist, ist eine Anzeige meist auch sinnlos, da die dortigen Behörden oft jedes Vorgehen behindern. Diese weigern sich oft, irgendwelche Informationen über die von ihnen registrierten Unternehmen weiterzugeben.

Hast du einen Tipp für unsere deutschen Anleger:innen, die einem Betrug zum Opfer gefallen sind?
Melodía: Zuerst: Glaube nichts, was der Scammer dir sagt. Oft erfinden diese tausend verschiedene Ausreden, um Einlagen nicht zurückzuzahlen und um weiter zu betrügen: technische Probleme, angebliche zusätzliche Steuern, das Geld sei unterwegs und so weiter.
Und dann: Dokumentiere absolut alles und nimm so schnell wie möglich Kontakt mit deiner Hausbank auf, um verdächtige Zahlungen sperren zu lassen.
Drittens solltest du dich zur weiteren Beratung an die BaFin wenden, Anzeige bei der Polizei erstatten und andere Betroffene kontaktieren, zum Beispiel über Facebook, change.org oder Foren, um eine Sammel-Klage zu initiieren. Eine gemeinsame Beschwerde ist oft effektiver als eine individuelle.

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*Tipp: Die meisten Browser bieten eine Übersetzung von Webseiten ins Deutsche an.

Julia bewegt sich seit 2011 im Umfeld Finanzen. Als Expertin für Verbraucherthemen wie Girokonto, Kreditkarte und Depot hat die studierte Germanistin und Amerikanistin immer einen Tipp auf Lager.

Deine Meinung zählt!

Bist du selbst schon Opfer von Betrügern geworden? Oder bist du noch einmal davongekommen? Erzähl uns gern von deinen Erfahrungen! Wir freuen uns über deinen Kommentar.

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